Sagen rund um Osnabrück

Inhaltsverzeichnis

Ein Teufelsbanner

Im Jahre 1564 war zu Osnabrück ein blinder Abenteurer, mit Namen Simon Möller von Nürnberg (so hat man nämlich seinen Namen vor Gericht abgelesen), eigentlich aber im Hessenlande geboren, oder wie Andere sagen, nicht weit von Mainz gebürtig. Derselbe hat eine geraume Zeit der Jahre her nicht allein hier in Westphalen, sondern auch in Sachsen, Friesland, Herzogthum Cleve und andern umliegenden Ländern viel Affenspiels, ja viel gottlosen Wesens getrieben, mit den armen befessenen Menschen, den Teufel durch sonderliche Exorcismen aus ihnen zu verbannen oder auszutreiben sich beschäftigt, bis daß er endlich sich unter die fromme Bürgerschaft der ehrsamen Stadt Osnabrück eingeschlichen hat. Als er aber allda ohngefähr ins dritte Jahr zu Hause gesessen und seines verfluchten Handwerks weidlich daselbst und in andern benachbarten Städten und Dörfern gepflegt, und also viele arme und einfältige Christen mit dem Scheine göttlichen Wortes, des Gebetes und anderer äußerlicher Ceremonien jämmerlich verführt und betrogen, Niemand aber in allen Ständen (auch unter denen, so es billig hätten strafen sollen) befunden ward, der ein Wörtchen dawider gemunkelt hätte, hat ein gewisser Hocker eine geringschätzige Schrift wider ihn und andere Teufelsbeschwörer gestellt, welche ihm auch endlich den Hals gebrochen, deren Titel war der Bannteufel. Als nämlich dieser Hocker damit im Jahre 1564 den 7. Februar Montag nach Sexagesimä zu Osnabrück angekommen ist, dieselbe einem ehrbaren Rathe zu offeriren, ist Dienstags darnach in Rath gestellt und Folgendes darauf beschlossen worden, solchen Bösewicht daselbst nicht länger zu leiden. Es hat aber zuletzt sein eigen Weib an ihm, der zuvor alle christliche Warnung in den Wind geschlagen, sein eigener Stockmeister oder Büttel werden sollen. Denn als er mit derselben etlichen Geldes halber, so sie ihm heimlich ausgeführt, uneinig geworden war, hat sie ihn freilich aus Eingeben des Teufels, jämmerlich zu erwürgen und sich also an ihm zu rächen vorgenommen. Sie überredete ihn darauf des Abends spät Mittwoch den 9. Februar mit ihr auf den Boden zu steigen, das verlorene Geld, wiewohl er doch blind gewesen, allda zu suchen, aber als sie mit ihm hinauf gekommen, stürzt sie ihn zur Stunde mit Hilfe des Teufels, der sich in schwarzer Mönchsgestalt dabei befunden, zur Dachlucke hinab, ergreift eine Axt mit dem Vorhaben, wie sie ihn gar verstümmeln und mit Feuer verbrennen wollte, hat auch allbereits den Kopf und linken Arm abgehauen und ins Feuer geworfen. Wie aber die Nachbarn solch Getümmel wahrgenommen, auch einen seltsamen Geruch gespürt, laufen sie zu, wie gewöhnlich und ergreifen das Weib auf frischer That, darauf sie denn von der Obrigkeit daselbst ist gefänglich eingezogen worden, und wie sie die That mit allen Umständen bekannt hat, ist sie am nächstfolgenden Sonnabend, der da war der 12. Februar, vor Gericht gestellt und zum Tode verurteilt worden, endlich ward sie, wie ihre That verdiente, mit glühenden Zangen zerrissen und auf ein Rad gestoßen. Gleichwie aber der Kessel, darin zu den Zeiten des Bischofs Ericus zwei Partheien falscher Münzer zu zwei unterschiedlichen Malen gesotten, an des Raths Wage; die Zangen, damit eine Rabenmutter, so ihre Tochter beredet, ihr Hurkind zu erwürgen und zu zerhauen, nebst der Tochter zerrissen, an den Kack oder Pranger befestigt, also ist auch die Axt, damit dieses Weib ihres Mannes Kopf und Arm auf Beredung des Satans in ihrem Hause in der König- oder Schweinestraße zu Osnabrück abgehauen, nebst der Zange, damit man sie gezogen, erst an den Stamm des Rades, darauf sie auf dem Fledder außerhalb der St. Johannispforte gelegt, hernach an den Kack oder Pranger zu Osnabrück Jedermann zum Abschrecken vor dergleichen Uebelthaten fest angeheftet worden.

 Das Hemd im Dom 

 Im rechten Seitenschiff des herrlichen Doms zu Osnabrück hängt an der Seite des Altars der h. Maria ein Hemd, welches aus lauter eisernen Ringelchen und Drähten zusammengewebt ist. Diesen wie ein Netz gefertigten Ringelpanzer trug der im Jahre 1233 verstorbene Bruder Rayner, der 22 Jahre lang in einer engen Zelle neben dem großen Eingange des Domes als Eremit lebte, auf der bloßen Haut, darüber aber ein rauhes borstiges Kleid, dessen struppige Haare durch die Oeffnungen dieses eisernen Hemdes hindurchdrangen und seine Haut jämmerlich zerstachen, obenauf aber noch einen gewöhnlichen eisernen Panzer und über diesem noch eine schlechte Tunica von grobem Tuche. Auch alle seine Zehen waren mit eisernen Ringen, um welche Borsten gewickelt waren, besteckt. Von diesem Manne sind unzählige Wunder verübt worden. Seine Gebeine sind im Jahre 1465 in eine Oeffnung der Mauer des Doms gesetzt worden, wo man sie noch sehen kann. Von ihm wird aus Osnabrück selbst folgendes Wunder erzählt.

Eines Tages kam Jemand in Osnabrück an den Stadtgraben und sah oben auf dem Wasser ein Kleid schwimmen. Da er selbst glaubte, es sei nur ein Kleid, so rief er einige Leute, welche am Graben wohnten, und machte sie auf das Kleidungsstück aufmerksam. Beim Versuche, das Kleid aus dem Wasser zu ziehen, fand es sich aber, daß es ein ertrunkenes Kind war. Die Mutter des Kindes, welche herbeikam, schrie verzweiflungsvoll und rief Gottes Hilfe und die Fürbitte Bruder Rayners an. Die Nachbarfrauen kamen auch herbei und versuchten die Arme zu trösten und halfen dem Kinde das Totenhemd anziehen. Allein die Frau ließ nicht nach, die Hilfe des Bruders Rayner anzurufen, und siehe da, plötzlich regte sich gegen die Vesperzeit das Kind, das in seinem Totenhemdchen dalag, und ward wieder lebendig. Alsbald erscholl der Ruf von diesem Wunder durch die Stadt, und der Domdechant ließ die Mutter nebst vier andern Frauen, die mit ihr im Hause geblieben waren, zu sich kommen und fragte nach den Umständen der Begebenheit. Die Frauen schworen insgesammt, daß das Kind zur Mittagszeit im Wasser gefunden und zur Vesperzeit wieder lebendig geworden sei.

Der Hund auf dem Domhof

Herzog Wittekind war in der Nähe von Osnabrück von Karl dem Großen überfallen und geschlagen worden. Schon war er fast von den Verfolgern eingeholt, da rettete ihn die Schnelligkeit seines leichtfüßigen Rosses; es sprang mit ihm über den Wall der Stadt, und die Bürger nahmen ihn wohlwollend auf und ließen ihn dann entwischen. Als dies Karl hörte, da schwur er, der ganze Ort solle für diese Verrätherei an ihm büßen und die erste Person, welche ihm, wenn er in die Stadt einziehen werde, begegnen würde, solle durch seine eigene Hand fallen. Als nun seine Schwester, welche in der Stadt weilte, den Zorn ihres Bruders erfuhr, da machte sie sich auf, ihm entgegen zu gehen und um Gnade für die Stadt zu flehen. Als nun Karl von fern sie kommen sah, bat er Gott, er möge doch ein Wunder tun, daß er nicht genöthigt werde, seinen voreiligen Schwur durch das Blut seiner eigenen Schwester zu erfüllen, und siehe, da stürzte der große Lieblingshund seiner Schwester vor dieser lustig springend auf Karl zu und dieser konnte nun in dem Blute desselben seinen Schwur lösen. Zum Dank für die Gnade Gottes verzieh er den Bürgern und ließ auf dem Domhofe das Standbild des armen Hundes zur ewigen Erinnerung aufstellen, wo man es noch heute sehen kann.

Die Gebeine des h. Crispin

Der Dom zu Osnabrück ist nicht mehr der herrliche Bau, den einst Karl der Große aufführen ließ. Dieser ward durch eine Feuersbrunst in Asche gelegt und mit ihm wurden eine Unzahl von Reliquien, die er enthielt, im Schutt begraben, unter andern auch die Gebeine des h. Crispinus. Da träumte einem Mönch zu Osnabrück, dieselben seien nicht mit vernichtet, er möge nur in der Brandstätte suchen, da werde er sie finden. Dies that er auch, und siehe, plötzlich glänzte ihm aus einer Ecke aus zerbrochenen Mauersteinen ein goldiges Licht entgegen, er räumte das Gerölle weg, plötzlich wehte ihn balsamischer Rosenduft an und strahlend blinkten aus dem Schutt ihm die theuren Reliquien entgegen.

Die Rosen ohne Dornen

Einst wohnte hoch auf seinem Schlosse bei Osnabrück ein Graf von Tecklenburg, dem es gelungen war, die Bürger sich zinsbar zu machen. Namentlich waren es die Metzger, denen er jeden Monat eine neue Taxe auflegte. Dieselbe mußte regelmäßig sein Burgzwerg, der auf einem Esel ritt, in die Stadt bringen, und weil sein Thier sehr langsam ging, kam er immer zu spät, die Metzger aber durften nicht eher auf dem Markte ihre Waare feilbieten, als die Taxe in ihren Händen war. Deshalb drohten sie dem kleinen Manne oft mit dem Tode, wenn er sich nicht besser beeilen werde. Mochte nun dieser wirklich nicht schneller kommen können oder achtete er die Drohung nicht, genug, es blieb beim Alten und eines schönen Tages machten sich ein Paar Metzger über ihn, schlugen ihn tot, zerhackten ihn in viele kleine Stücke, thaten diese in einen Korb, luden ihn dem Esel auf und jagten ihn nach der Burg hinauf. Da ward der Graf halb rasend vor Wuth, sammelte seine Leute, schloß die Stadt ein und brachte die Bürger bald durch Hunger dahin, daß sie demüthig den Grafen um Gnade baten. Erweicht von ihren Bitten versprach derselbe auch, ihnen zu verzeihen, wenn sie binnen Jahresfrist ihm zwei Scheffel der sogenannten Düblinghöver, eine Art Silberheller, die ein früherer Bischof von Osnabrück hatte prägen lassen, ein blaues Windspiel und einen Rosenstock, der keine Dornen an sich trage, liefern könnten, wo nicht, werde er ihre Stadt dem Boden gleich machen. Da war guter Rath theuer, denn Niemand wußte, wie diesem Verlangen entsprochen werden könne. Als nun aber schon eine ziemliche Zeit verflossen war und der Termin der Ablieferung heranrückte, da ließ der Magistrat im ganzen Lande verkünden, daß der, welcher ihnen aus der Noth helfen und das Befohlene liefern könne, eine große Belohnung empfangen solle. Siehe, da kam ein Bauersmann und erbot sich, für eine gewisse Summe das Gewünschte herbeizuschaffen. Zwar zweifelte der Stadtrath an der Möglichkeit der Erfüllung, allein er hatte keine Wahl und so ward denn dem Bauer die verlangte Summe zugesagt, ihm aber auch auf das Bestimmteste gedroht, daß, so er sein Versprechen nicht zu erfüllen vermöge, sein Leben dem Henker verfallen sei. Und richtig, noch war das Jahr nicht vorüber, da erschien der Bauer auf dem Rathszimmer, an der einen Hand ein himmelblaues Windspiel, in der andern einen Rosenstock und auf dem Rücken einen Sack, der voll der schönsten Silberheller war. Befragt, wie er es angefangen habe, diese scheinbar unmöglichen Gegenstände doch herbeizuschaffen, sagte er, die Silberheller habe er dadurch bekommen, daß er weit und breit bekannt gemacht habe, er löse einen jeden um den doppelten Preis ein, da hätten ihm von allen Orten und Enden die Bettler solche zugetragen. Das blaue Windspiel habe er dadurch hervorgebracht, daß er zwei Hunde in eine Kammer mit blauen Wänden und Fenstern eingesperrt, ihnen blau angemalte Speisen vorgesetzt und ihnen nur in blauer Kleidung genaht sei, während sie durchaus keinen andern Menschen zu Gesicht bekommen hätten. Dann habe er eine dünne gläserne Röhre genommen und ein junges Rosenzweiglein hineingeleitet, das habe denn darin getrieben und sei fortgewachsen, da die Wurzel in guter Erde gesteckt habe, weil aber der Raum zu eng war, so hatten die Dornen darin keinen Platz und so kam ein Rosenstengel ohne dieselben zu Stande. Der kluge Bauer erhielt die verheißne Belohnung und der Graf seinen bestimmten Tribut, die Silberheller sind aber längst eingeschmolzen und das Geschlecht der blauen Windhunde nicht fortgepflanzt worden, wohl aber giebt es seitdem noch Rosen ohne Dornen in den Ziergärten, welche angeblich von jenem Rosenstock abstammen.

Original: Johann Georg Theodor Grässe, Sagenbuch des preußischen Staates

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