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Die Wahrzeichen der Stadt
Als Wahrzeichen der Stadt gelten zwei große Steine in dem Straßenpflaster, der eine lag als Grenzzeichen sonst vor der ehemaligen Bürgerwache auf der Steintorstraße in der Mitte des Fahrwegs, befindet sich aber jetzt inmitten zweier anderer fast gleich großen Steine am Ausgang der Straße gegenüber dem Putzladenfenster. Der andere befindet sich auf der Knochenhauer- und Kramerstraßen-Ecke vor Nr. 37 und ist dadurch bemerkenswerth, daß der auf demselben Stehende alle 4 Kirchtürme der Stadt sehen kann. Ein zweites ist der unvollendet gebliebene Turm der Marktkirche, weil er von den Freimaurern erbaut worden ist, wie man aus seiner mysteriösen Form sieht. Er ist ein hohes gemauertes Viereck, welches sich in vier dreieckigen Spitzen endigt und dann noch einen zweiten kleinern Turm trägt. Von den vier dreieckigen Spitzen des Hauptthurms enthalten drei jeder einen colossalen Kreis. Im Westen ist die dreieckige Fläche ganz dunkel und ohne Abzeichen außer dem Zifferblatte, das in neuern Zeiten dahin gesetzt ist. Im Süden und Norden enthalten die die Uhr-Zifferblätter umfassenden Kreise jeder ein doppeltes Dreieck oder ein cabbalistisches Sechseck und im Osten steht im hellen Kreise ein roth ausgemauertes Pythagoräisches Fünfeck, sonst auch Drudenfuß genannt, welches man zum Schutze des Viehes ehemals in der Walpurgisnacht an vielen Orten in Deutschland mit Kreide an die Ställe zu zeichnen pflegte. Ueber den Kreisen ist in jeder Spitze ein großes Kreuz eingemauert und unter jedem Kreise sieht man noch zwei kleine Kreise, von denen der eine immer ein Kreuz, der andere die Figur eines Ypsilons trägt. Im Süden ist ein Sonnenzeiger, der außer der Jahreszahl 1555 die Buchstaben H.B.A.S. und zwischen ihnen die Figur eines Ypsilons und über einander liegend ein Winkelmaß und eine Maurer-Richtwage enthält. Auf den Seiten des dreieckigen Giebels an der Westseite des Turmes stehen zwei Statüen auf Säulen, rechts die des h. Georg, der den Lindwurm tötet und auf dem Schilde das Tempelherrnkreuz trägt, links die des h. Jacob im Pilgerkleide. Dieser trägt auf der rechten Brust einen Anker, auf den er mit dem ausgestreckten Zeigefinger seiner linken, auf dem Herzen ruhenden Hand deutet. Ferner bezieht sich eben darauf die beim Hochaltar stehende große aus Holz sauber geschnitzte Schüssel mit dem blutenden Kopfe des Johannes. Sie ist mit lebendigen Farben angestrichen und zeigt auf dem breiten Schüsselrande in Mönchsschrift und goldenen Buchstaben die Worte: »Baptista sanctus Johannes.« Ein viertes Wahrzeichen ist das etwas verstümmelte Basrelief172 in dem Kranze über der Thür zwischen den beiden Stockwerken des Rathhauses in der Altstadt. Es stellt zwei Männer vor, die auf Händen und Knieen einander gegenüber liegen und durch einen in den Hals geknüpften Gürtel in dieser Stellung gehalten werden, ihre Hintern sind entblößt, hinter einem steht ein Gassenjunge mit herausgestreckter Zunge, hinter dem andern seine Frau. Es soll damit die schimpfliche Strafe des Luderziehens gemeint sein. Früher stand auf einem Brunnen vor dem Rathhause noch ein Aktäon mit vergoldeten Geweihen, der angeblich eine Beziehung auf dieses Bild gehabt haben soll, was aber nicht sehr wahrscheinlich ist.
Sonst rechnete man noch das unter dem Namen des Broyhan berühmt gewordene Bier hinzu, welches am Dienstag nach Trinitatis von Curt Broyhan aus Stöcken, der längere Zeit Brauknecht in Hamburg gewesen war, erfunden († 1570) und zuerst auf der Leinstraße im zweiten Hause von der Dammstraße, damals dem Patrizier Hans von Soden zugehörig, an derselben Stelle, wo jetzt der Residenzpalast steht, gebraut worden ist.
Kaspar Hanebuth
Aus dem 30jährigen Kriege war ein arger Raubgeselle übrig geblieben. Er hieß Kaspar Hanebuth, er hatte 19 Mordthaten begangen und pflegte seine Opfer aus der Ferne niederzuschießen, ohne nur zu wissen, ob sie Geld bei sich trügen. Er ließ sie dann den Hunden und Vögeln zur Speise liegen. Er wurde den 8. Februar 1633 zu Hannover mit dem Rade unter dem Galgen zerstoßen und dieser dann mit 19 Knüppeln behängt. Ein Stein in der sogenannte Eilenriede, woselbst er sich gewöhnlich aufhielt, hat seinen Namen beim Volke erhalten.
Hexen in Hannover
Im Jahre 1604 den 14. Februar ward Hille Möller lebendig verbrannt, weil sie gestanden hatte, der Teufel sei vor zehn Jahren auf dem Felde zu ihr gekommen, habe ihr zugemuthet, Hexerei zu erlernen und sie gezwungen, sich zu verpflichten, mit Gott nichts zu tun haben zu wollen. Darauf hatte ihr der Teufel ein Zeichen hinter das Ohr geschlagen, die Haut weggekratzt und sieben Groschen gegeben. Ihren Tanz hat sie in der Strafe zum Lüerschen Felde unter der Linde, manchmal am Sonnabend, regelmäßig in der Walpurgisnacht gehalten. Zum Reiten benutzte sie einen schwarzen Ziegenbock, der Teufel aber, Sabbah genannt, kam jede Woche zu ihr auf Besuch. Sie hatte viel Vieh und Menschen behext und gab auch noch viele andere Weiber als Hexen an.
Am 17. Juni 1605 wurden Katharina Fierken und eine gewisse Strecken lebendig verbrannt. Erstere hatte das Zaubern von Letzterer vor zehn Jahren auf dem Marktkirchhofe gelernt, der Teufel hatte ihr als Aufgeld einen Gulden, 12 Mattier und einen Groschen gegeben, sein Name war Lucifer. Getanzt hatte sie nur einmal auf dem Blocksberge und war dorthin auf einem Maulesel geritten. Den Leuten schüttete sie ein Pulver ins Haus, welches ihr jener gegeben hatte. Einst war sie in ein Haus gekommen, hatte ein in der Wiege liegendes Kind bei der Hand genommen und gesagt: »Daß Dich Gott bewahre, was bist Du für ein fein Kind!« Darauf war erst die Hand des Kindes, dann sein Leib geschwollen und in 5 Wochen war es gestorben. Die Strecken hatte nichts gestanden, allein bei der Tortur hatte der Scharfrichter ihre Zunge ganz schwarz gefunden und hinten an derselben ein Ding wie eine Hummel sitzen sehen. Sie gestand nichts, deshalb hat man ihr die Wasserprobe angetan. Man hat sie an den Händen und Füßen gebunden auf das Wasser im Stadtgraben gesetzt, sie ist nicht untergesunken, sondern hat sich herumgeworfen und wie ein Hecht etwa 4 Ellen weit hingeschossen und man hat gehört, daß es unten im Wasser gekracht und in der Luft geschwirrt hat. Man hat sie darauf ins Gefängniß gebracht und auf den Rücken auf Stroh gelegt, der Teufel aber hat sie in der Nacht umgewendet und auf den Bauch gelegt.
Der graue Mann
Ein heller Wintermittag lockte vor vielen Jahren zwei junge Frauenzimmer, die bei ihrer kranken Freundin, einer Conventualin im Kloster Borsinghausen zum Besuch sich aufhielten, zum Spaziergange ins Freie. Sie wählten den Weg nach Egestorf und auf dem schmalen Fußpfade, der durch den dicht liegenden Schnee allein gebahnt war, berührte ihr Gespräch mancherlei Gegenstände der Unterhaltung. Die eine Freundin sieht aufblickend in mäßiger Entfernung einen in einen grauen, langen Mantel gehüllten Mann vor ihnen hergehen und macht ihre Begleiterin auf diesen aufmerksam, die ihre halb scherzend, halb befremdet ausgesprochene Bemerkung mit ihr teilt, wie sie den ihnen so nahen Wanderer nicht schon früher wahrgenommen, da ihr scharfes Auge doch in dem dichten Schnee zu den Seiten des vor ihnen liegenden Weges keine einlenkende Spur auffinden kann, jener mithin den durchaus ebenen Pfad schon zuvor gegangen sein muß. Der graue Mann bleibt noch einige Schritte in gleicher Weise vor ihnen, wendet sich dann aber zur Seite des Weges nach einem, mit wenigem in dieser Jahreszeit entblätterten Gestrüpp bewachsenen niedrigen Hügel zu, hinter welchem er verschwindet. Die Freundinnen, ihr Gespräch fortsetzend, beachten dieses nicht, bis sie zu der Stelle des Pfades, von welchem ab der Vorgänger, zur Seite abgebogen, angelangt, mit Staunen vergebens die Spur eines Fußtrittes in dem hohen Schnee aufzusuchen sich bemühen. Auch um den niedrigen Hügel, den sie von ihrem jetzigen Standpunkt auf allen Seiten betrachten können, zeigt sich kein Fußtritt. Neugier und Aengstlichkeit läßt sie selbst nach dem Hügel gehn, aber keine Spur, daß ein lebendiges Wesen hier gewandelt, ist auf der glatten Schneefläche aufzufinden. Da treibt mächtiger Schrecken über den seltsamen Wanderer die Bestürzten zurück.
Noch jetzt sehen einzelne Kirchgänger den grauen Mann zuweilen in kurzer Weite vor sich hergehen und spurlos und unerklärlich verschwinden. Man sagt, daß es der Geist eines Menschen sei, der in dieser Gegend ein schweres unentdecktes Verbrechen beging, und er kann nicht eher zur Ruhe kommen, bis das Verborgene an den Tag gebracht, und aus Mitleid mit der ruhelosen Seele durch fromme Geschenke an die Armen seine That versöhnt wird.
Original: Johann Georg Theodor Grässe, Sagenbuch des preußischen Staates