Inhaltsverzeichnis
Entstehung der Gertrudenkirche
Die Gertrudenkirche zu Stettin soll dadurch entstanden sein, daß ein armes Hirtenmädchen, welches auf dem Wege nach Damm einen großen Schatz gefunden hatte, aus Dankbarkeit gegen Gott, der ihr denselben bescheert hatte, diese Kirche hat bauen lassen. Das Bild dieses Mädchens, welches Gertrude hieß und somit gleichzeitig der Kirche den Namen gegeben hat, hängt noch in derselben.
Die Raubmönche
In der Stadt Stettin stand ehedem auf der jetzigen Königsstraße ein Mönchskloster und daneben wohnte ein Bäcker, dessen Haus übrigens noch heute gezeigt wird. Derselbe hatte eine sehr schöne Tochter, in welche sich ein vornehmer Herr verliebte. Da derselbe nun wußte, daß das Mädchen täglich Brod ans Klostergitter brachte, so wendete er sich an die Mönche und bot ihnen viel Geld, wenn sie dasselbe ins Kloster locken und ihm in die Hände spielen wollten. Dies thaten sie auch; als jene wieder ans Gitter kam, wußten sie sie zu veranlassen, ins Kloster zu treten, ergriffen sie und sperrten sie in ein unterirdisches Gewölbe. Von dem Mädchen aber hörten ihre Eltern nichts wieder, es blieb verschwunden. Die Mönche, die sich mit dergleichen Menschenraub überhaupt befaßt zu haben scheinen, hatten aber auch einen Knaben geraubt und denselben in ein Gewölbe gesperrt, welches an das grenzte, wo das Mädchen saß. Diesem gelang es, sich durch die Klosterkirche zu flüchten, und als er in die Stadt kam, da sagte er auch, wo das totgeglaubte Mädchen sei. Als nun das Gericht ins Kloster drang und nachsuchte, fand man auch richtig die Gefangene, befreite sie und hob das Kloster, welches eine förmliche Räuberhöhle geworden war, auf.
Die vier Missethäter und der Schüler
Im Jahre 1519 sind zu Stettin vier Kirchenräuber hingerichtet worden, von denen einer Störzecke, der andere und dritte Claus und Hans Damelo, und der vierte Werneke geheißen hat. Diese vier Buben haben in der Mark Brandenburg, Pommern und Mecklenburg 580 Kelche, mit den dazu gehörigen Patenen, 12 Monstranzen und 9 silberne Oelbüchsen gestohlen und überdies 3 Mönche, nebst 3 Knechten, 3 Priester, 4 Schüler, 27 Juden, 12 Männer, 8 Frauen und 5 Jungfrauen ermordet und umgebracht. Zu dem hatten sie noch 7 Weiber und 4 Kinder in ihren Häusern verbrannt. Es waren aber ihrer halben unschuldig hingerichtet worden 80 Männer, 3 Priester, 17 Küster, 18 Weiber und 6 Jungfrauen, inmaßen sie solches Alles in der Urgicht einhellig bekannt haben.
Es haben aber diese vier Buben bei ihren Kirchenräubereien folgende Büberei gebraucht. Sie hatten Wagen und Pferde und ein Krahmfaß. Wenn sie nun eine Kirche bestehlen wollten, so schlossen sie einen von ihnen in das Krahmfaß ein, den sie mit Nachschlüsseln und Werkzeugen versahen, und baten die Vorsteher der Kirchen in den Dörfern, da es in den Krügen unsicher sei, so möchten sie ihnen doch vergönnen, daß sie die Nacht über das Krahmfaß in die Kirche stellen dürften. Wenn nun solches geschehen, stieg dann der, welcher in dem Krahmfaß eingeschlossen war, heraus, bestahl die Kirche und machte sich sodann davon. Die andern im Kruge schliefen aber am Morgen etwas lange, bis die Bauern vorerst die Kirche erbrochen fanden. Da wollten die Buben nichts davon wissen, sondern zogen nach der Obrigkeit der Bauern und Junker und klagten gegen jene auf Schadenersatz. Sie hatten aber unter sich einen Goldschmied, der setzte sich stets ohne Verdacht zu erregen in eine Stadt, welche entfernt von den Oertern war, wo sie das Jahr über stehlen wollten. Hier gab er sich dann für einen Zuckersieder aus und hatte auch vielen Zucker, den er verkaufte, allein er schmolz unter diesem Vorwande das gestohlene Silber in der Küche und verkaufte es nach andern Orten.
Solche Dieberei trieben sie namentlich in der Mark Brandenburg. Nun war daselbst ein Schüler von Stettin, Johannes N., zu ihnen gekommen, der von der Sache nichts wußte. Den griffen die Bauern und peinigten ihn jämmerlich und meinten, er sei von ihrer Gesellschaft, denn sie selbst waren entkommen. Als man aber fand, daß derselbe unschuldig sei, ließen ihn die Bauern wieder los. Nach einigen Jahren aber kamen diese Kirchenräuber nach Alt-Stettin, aber Johannes der Schüler war auch da und erkannte sie, er gab sie an, sie wurden gefänglich eingezogen und auf ihr Bekenntniß hin hingerichtet.
Der Teufel poltert in den Kirchen
Als am Montag der Pfingstwoche des Jahres 1563 der Pastor der Nicolaikirche zu Stettin, Peter Hartmann, mitten unter der Predigt ein Stück aus dem Evangelio: »Also hat Gott die Welt geliebt« beendigt hatte, hat sich oben auf dem Kirchengewölbe (dieses ist hier sehr gut aus Holz erbaut, wie wenn es von Steinen wäre, kann aber keine Lasten tragen) ein greulicher Tumult und Polterwerk und eine ungeheure Staubwolke erhoben, nicht anders als wenn das Gewölbe von oben herunterbreche und in Stücke gehen wollte. Darüber ist ein großer Schrecken unter dem Volke entstanden und dasselbe ist mit großem Gedränge und Eile aus der Kirche herausgelaufen. Als sich nun der Staub verzogen und man Leute auf das Gewölbe hinaufgeschickt hat, um die Ursache des Unwesens zu erfahren, hat sich nichts gefunden.
Dasselbe Spiel hat der Teufel auch in der St. Jacobskirche zu Anfange der Reformation getrieben, als Pomeranus gepredigt hat. Derselbe soll aber unerschrocken die Leute ermahnt haben, der Teufel lasse es sich merken, daß es ihm Leid sei, daß Christi Reich hier errichtet werde, er wolle es gern wehren, aber er könne nicht.
Eine Historia von einem Knaben
Im Jahre 1576 im September ist zu Stettin ein Knabe von 10 Jahren, mit Namen Carsten Schnöckell, dessen Eltern zu Colberg wohnten, auf einen Freitag verloren gegangen und erst den nächstfolgenden Sonntag Abends wiedergekommen. Diesen Knaben hatte aber Peter Malchow’s Hausfrau, eine Tuchwäscherin auf der Lastadie bei sich, denn es war ihrer Schwester Sohn. Wie nun viele vornehme und ehrliche Leute den Knaben gefragt haben, wie er weggekommen und wo er gewesen sei, so hat er mit Seufzen und großem Verstande berichtet, er sei zur Tür hinausgegangen, da habe ihn alsbald etwas wie eine Wolke umgeben, darin habe ihn ein alter Mann hinweggeführt und zuerst an einen finstern Ort gebracht, wo es gegrunzt habe, gleichsam als wäre dort eine große Heerde Schweine. Da nun der Knabe den Alten fragte, was das wäre, so hat dieser geantwortet, es seien Totengräber und dies der Ort, wo die Seelen der Gottlosen Gottes gestrenges Gericht und ewigen Zorn erwarteten. Von da hat ihn der Alte an einen sehr schrecklichen Ort geführt, wo viele Stühle in Feuerflammen gestanden und schwarze Hunde an glühenden Ketten gelegen haben, denen das Feuer zum Rachen herauskam, und die Hunde haben den Knaben greulich angefahren, als wollten sie ihn zerreißen. Da hat der Knabe diese Worte gebraucht: »Die Hunde knurren mich an!« Der alte Mann aber hat dem Knaben zugesprochen und gesagt, er solle sich nicht fürchten, es werde ihm kein Leid widerfahren. Als nun der Knabe von dem Schrecken wieder zu sich kam, hat er wieder gefragt, was das wäre? Der Alte aber antwortete, die Hunde seien böse Geister, welche mit feurigen Ketten gebunden seien und nicht mehr tun könnten, als ihnen von Gott nachgegeben und zugelassen werde. Auf den feurigen Stühlen aber sollten alle gottlosen und ungerechten Richter sitzen, und dies sei der Ort, wo die Gottlosen mit allen Teufeln in alle Ewigkeit sollten gepeinigt werden.
Nachdem hat der alte Mann ihn wiederum an einen überaus lustigen und schönen Ort gebracht, daß auch der Knabe sagte, es sei ihm unmöglich, die Herrlichkeit des Ortes auszusprechen, es wäre aber Alles wie die Sonne und helles Licht gewesen, dazu unaussprechliche Freude, und alle, die da gewesen, hätten weiße Hemden angehabt, und vor Freuden gesungen: »Gloria, Gloria!« Da hat der Knabe gefragt, ob das der Himmel sei? Er aber hat geantwortet: »Nein, sondern es wäre ein Vorlauf des Himmels, da der Gottesfürchtigen Seelen des jüngsten Tages und Gottes herrlicher und fröhlicher Zukunft warteten, und sei der ewigen und himmlischen Freude nicht zu vergleichen.« Da hat der Knabe gebetet, daß er daselbst bleiben möchte. Der Alte aber sprach, hier könne kein Mensch bleiben, er müsse denn zuvor sterben. Doch solle er dann wieder an denselben Ort kommen.
Nach diesem allen, wie obgedacht, ist der Knabe auf den dritten Tag am Abend vor des Weibes Thür, bei welcher er war, gekommen. Als ihn nun dieselbe bedroht und gefragt, wo er gewesen, hat er gesagt: »Ach Mutter (also hat er sie geheißen) schlagt mich nicht, denn ich bin an seltsamen Orten gewesen« und hat ihr Alles, wie oben gedacht, angezeigt.
Ferner hat er vermeldet mit großem Seufzen, er könne wohl von vielen zukünftigen Plagen und Unglück sagen, aber er dürfe es nicht offenbaren, und wenn die Leute das große Unglück wüßten, was sich in wenigen Jahren zutragen würde, wäre es unmöglich, daß ein Mensch fröhlich sein könne. Als nun aber einige vornehme Leute gebeten haben, er solle vermelden was es sei, sie wollten ihm ein neues Kleid geben, hat er geantwortet, wenn es möglich wäre, daß man ihm aller Welt Güter geben könne, wolle er es doch nicht sagen, denn es werde ihm nicht wohl gehen. Nur möchten die Leute fleißig beten. Da sie ihn nun gefragt, ob es Pestilenz oder Krieg wäre, hat er geantwortet: »Ja Pestilenz, Krieg«, er dürfe es aber nicht alles sagen.
Da sie ihn nun ferner gefragt, ob er auch den Befehl habe, den Prädicanten wegen der Lehre etwas anzuzeigen, hat er gesagt: »Nein, Ihr habt gute Prädicanten, die Euch Gottes Wort recht lehren, wenn nur die Leute sich bekehren und beten möchten!« Da man ihn gefragt, ob er auch bete, spricht er: »Sollte ich denn nicht beten, ich bitte Tag und Nacht, daß ich an den herrlichen Ort, wo ich gewesen, wiederkommen soll!« Der Knabe hat aber nicht wie ein Kind von zehn Jahren, sondern wie ein alter weiser Mann mit großem Verstande und vielem Seufzen solches geredet. Nach kurzer Zeit aber, da er Tücher wegtragen sollte, ist er ins nächste Haus gekommen und hat dort die Frau gebeten, ob sie nicht seiner Mutter den Korb mit den Tüchern zustellen wolle, denn es wäre ihm so seltsam, und dann ist er wieder aus dem Hause gegangen.
Wie ihm nun das Weib alsbald auf dem Fuße gefolgt ist, da sie wußte, daß er zuvor schon einmal verloren gegangen war, so ist er ihr doch aus dem Gesichte gekommen und wiederum verloren worden. Und es ist wohl anzunehmen, daß er entrückt worden und an den herrlichen Ort gebracht worden ist, wo er gewesen war. Solches haben mir, Lucas Mützell’n, dieweil ich dazumal, als sich dies zugetragen, zu Stettin gewesen, etliche glaubwürdige und vornehme Leute berichtet, so den Knaben zu Worten gehabt. Ich habe auch selbst das Weib, bei welchem er dazumal gewesen ist, gesprochen, ich würde auch selbst mit dem Knaben geredet haben, wo er nicht sobald zum andern Male weggekommen wäre. Ich habe aber dazumal Alles aufgeschrieben, und dieweil ich es jetzt unter meinen Büchern gefunden, habe ich es in dieser bösen gefährlichen Zeit zur Warnung und Vernehmung an den Tag geben wollen.
Die besessene Agnes
m Jahre 1577 ist eine Magd, Agnete genannt, zu Stettin gestorben, welche leider von dem bösen Geiste in die 21 Jahre leibhaftig besessen gewesen und jämmerlich geplagt worden ist.
Es wird aber berichtet, daß zu dieser Magd Mutter, als sie auf einem Ackerhof nicht weit von Stettin gelegen, gewesen, ein altes Weib gekommen ist, so Butter von ihr hat kaufen wollen. Als diese aber keine verkaufen wollen oder können, ist dasselbe Weib mit zornigen Geberden, bösem Wunsche und Drohworten davongegangen und hat dieser ihrer Tochter Agnete, so noch ein kleines Mägdlein war und vor dem Hofe saß und spielte, den leidigen Teufel in den Leib geflucht und gezaubert. Als nun die betrübten Eltern diesen erbärmlichen Zustand an ihrem Kinde gesehen, haben sie es nach Stettin geschickt und der Herrschaft solches geklagt, es auch soweit gebracht, daß die Zauberin ihren verdienten Lohn empfangen hat. Mit dem Mägdlein ist es aber inzwischen nicht besser geworden, sondern der höllische Drache hat in diesem armen Menschen von Jahr zu Jahr immer heftiger tumultuirt, rumort und gepoltert, ihren Leib aufgeblasen und greulich zerstoßen, ihr Angesicht geschändet und ein Auge ausgerissen, beide Arme voll scharfe Nadeln gestochen und sie oftmals augenscheinlich von der Erde erhoben, in der Luft herumgeführt, auf hohe Kirchengebäude und andere gefährliche Oerter niedergesetzt, zuweilen auch ins Wasser geworfen und also sein Trauerwesen mit ihr gespielt und dennoch ihr am Leben nicht schaden können. Außerhalb des Paroxysmus hat sich besagte Agnete christlich und wohl bezeigt, ist fleißig zur Kirche gegangen, hat die Predigten gerne angehört, die heiligen Sakramente oft gebraucht, auch die gemeinen Kirchengesänge mit großem Ernste mitgesungen und bei solcher Andacht ist sie auch vom bösen Feinde in der Kirche nicht gefährdet oder verletzt worden. Endlich aber drei Jahre vor ihrem Tode ist sie von solcher greulichen Plage erledigt worden und im grauen Kloster allhier selig verstorben.
Zuweilen hat nun diese Magd fremde Sprachen geredet, von zukünftigen Dingen gewußt, auch solche angezeigt und erzählt, wie sie von fünf Teufeln (genannt Junker Schmeckmeus, Walter der große, Springinsfeld, Witworst und Dumbelt) besessen sei, welche verschiedene Eigenschaften gehabt. Item wie der Teufel sie dreimal in Paul Litzow’s Bierkufe gebadet habe und dem guten Mann dadurch das Bier verdorben sei. Ingleichen als einstmals ein anderer besessener Mann von Pasewalk anhero gelaufen ist, hat dies Agnes zuvor ganz genau verkündigt und gesagt: »Ihr Bräutigam von Pasewalk werde bald kommen«, ist auch vor Freuden vom obersten Saale des Abthauses, sobald der Kerl nur in die Stadt gekommen ist, heruntergesprungen und hat ihm den Rosengarten hinauf mit vollen Sprüngen entgegengetanzt, und was dergleichen Fantaseien und Getrieb des Teufels mehr gewesen sind.
Der Teufel in der Nicolaikirche
Am 10. Mai 1601 ist in der Nicolaikirche zu Stettin um acht Uhr unter der Predigt eine schwarze Katze gesehen worden, so über die Leute weggesprungen und nachher verschwunden ist. Es war dies ein Teufelsgespenst, von der Zauberin Trine Rungen, so im Jahre 1602 am 20. Juli verbrannt worden ist, angerichtet worden war.
Die Blutflecken in der Jacobikirche
In der Jacobikirche zu Stettin zeigt man einige kleine Blutflecken, die man durch kein Waschen und Schaben vertilgen kann. Sie sollen auf folgende Weise entstanden sein. In der Kirche spielten einst während des Gottesdienstes vier gottlose Buben mit der Karte. Plötzlich trat der Teufel zu ihnen und fing an mit ihnen zu spielen. Anfangs kannten die Knaben ihn nicht, bald aber merkte einer von ihnen, daß es der Teufel sei, der sich mit ihnen ins Spiel gegeben habe, denn er sah dessen Pferdefuß; er machte sich also geschwinde davon. Nach einer Weile merkte es auch ein Zweiter, der sich geschwinde ebenfalls davon schlich. Auch dem Dritten gingen endlich die Augen auf und er that wie die beiden andern. Der Vierte aber war so auf sein Spiel versessen, daß er gar nicht gewahrte, mit wem er spielte. Daher bekam der Teufel so viel Gewalt über ihn, daß er mit ihm aus der Kirche davon fahren durfte. Dies that er denn auch, indem er ihn plötzlich ergriff und ihm den Hals umdrehte und ihn dann mit großem Getöse von dannen führte. Der Teufel hatte dabei mit seinen scharfen Krallen so fest in das Fleisch des Knaben gepackt, daß das Blut danach floß; davon rühren noch jene Blutstropfen her.
Die ungezogenen Kinder
In der Stadt Stettin lebten zu einer Zeit zwei ungerathene Kinder, die ihren Eltern viel Herzeleid machten und in ihrer Gottlosigkeit zuletzt soweit gingen, daß sie dieselben sogar schlugen. Dafür traf sie aber eine entsetzliche Strafe. Denn nachdem sie beide plötzlich gestorben waren, und man sie begraben hatte, streckte sich auf einmal von jedem die Hand aus dem Grabe heraus, mit welcher sie sich an ihren Eltern vergriffen hatten. Das Schrecklichste dabei aber war, daß die Hände frisch und blutend waren und nicht verwesen konnten. Man grub sie zwar in die Erde wieder hinein, allein dies half alles nicht, sie wuchsen wieder heraus. Da beschloß man zuletzt auf Beratung des Raths und der Geistlichkeit, daß man sie mit einem Spaten abdrehen wolle. Dies geschah und man hing sie zum ewigen Andenken in der Kirche zu St. Peter und Paul in der Sakristei auf, wo sie noch jetzt hängen sollen.
Auch in der Kirche zu Bergen auf Rügen zeigt man eine abgehauene Menschenhand vor, welche von einem Vatermörder sein soll und nach dessen Tode aus dem Grabe hervorgewachsen ist und nicht wieder hat hineingebracht werden können, so daß man sich zuletzt genöthigt gesehen hat, sie abzuhauen. Desgleichen wird auch auf der Rathsbibliothek zu Stralsund eine ähnliche Hand eines Vatermörders aufbewahrt.
Die Windmühlen
An der sogenannten klingenden Becke bei Stettin liegen sieben Windmühlen, die der Rath von Stettin vor alten Zeiten hat bauen lassen. Als sie fertig waren, sind die Rathsherren zu ihnen hinausgefahren um sie zu besehen und ihnen Namen zu geben. Bei der ersten sagten sie: »Eine muß doch Malz mahlen«, denn sie dachten zuerst an das gute Bier und sie nannten sie Malzmühle. Die zweite hatte wenig Wasser, da sprachen sie: »Sie ist für die Küken« und nannten sie Kükenmühle. Bei der dritten hörten sie einen Kuckuck schreien und nannten sie Kuckucksmühle. Auf einer vierten empfing die Wirthin sie unfreundlich, da nannten sie dieselbe Sursacksmühle. Auf der fünften dagegen wurden sie freundlich und aufmunternd aufgenommen, d.h. motgeberisch (muthgebend) und darum nannten sie sie Motgebermühle. Bei der sechsten wollten die Räder gar nicht stille stehen, da sprachen sie: das ist die Klappermühle. Die letzte endlich, welche am höchsten am Berge lag, nannten sie die Obermühle. Alle diese Namen führen aber die Mühlen noch.
Die Oderburg
Im Jahre 1573 starb der Herzog Barnim IX. auf der Oderburg bei Stettin. Er war 72 Jahre alt geworden und hatte 50 Jahre lang das Land regiert; er war aber ein so milder und gottseliger Herr gewesen, daß man ihn Vater des Vaterlandes genannt hat. Die Oderburg, in welcher er verstarb, hatte er auf das Zierlichste und Festeste bauen lassen, also daß, wie späterhin als Stettin zu einer Festung eingerichtet ward, mehrere Jahre nöthig waren, um sie niederzureißen und Platz für die neuen Befestigungen zu gewinnen. Bei seinem Tode begab sich nun das Wunderbare, daß die vielen goldnen Wetterhähne und Knöpfe, mit denen die Burg verziert war, in einer Nacht alle zusammen plötzlich schwarz wurden, obgleich in derselben Nacht kein Tropfen Regen gefallen war. Es war nicht anders, als ob das Gebäude, das dem Herzog seine Entstehung verdankte, also seine Trauer über das Abscheiden seines Herrn hätte bezeigen wollen.
Original: Johann Georg Theodor Grässe, Sagenbuch des preußischen Staates